Klein und fein präsentiert sich der Ort inmitten schönster Wald- und Seenlandschaft. Trotz seiner nur knapp 5000 EinwohnerInnen schafft es das Städtchen weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt zu sein. Oder kennen Sie Rheinsberg etwa nicht...? weiterlesen
von Ruth und Franziska
Die Fahrt von Rheinsberg über Fürstenberg, Lychen, Templin, Joachimsthal & Angermünde nach Schwedt ist langwierig, aber sie birgt einiges in sich. Im Frühling kann mensch die grünen Alleen, Mischwälder und Rapsfelder bewundern, die einem auf der Fahrt links und rechts von der Strasse
begleiten.
Auch ist der „Charme“ des Ostens ist nicht zu übersehen. Beim Durchqueren der Örtchen fällt auf, dass denen in den letzten 15 – 20 Jahren hauptsächlich eine Veränderung wiederfahren ist: Die Verbreiterung der Fahrbahn. Vielleicht, um den jeweiligen Ort schneller wieder aus dem
Rückfenster sehen zu können oder um den Anblick bei einer Durchreise nicht all zu lang ertragen zu müssen. Es kann sich aber auch um ein Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Automobilindustrie handeln, denn die Unfallraten in Brandenburg sind ja bekanntlich sehr hoch.
Die Autostrecke von Rheinsberg nach Schwedt vermittelt einen insgesamt umfangreichen Eindruck vom Bundesland Brandenburg.
Von Tourismus-Hochgebieten wie Rheinsberg, dessen Schloss Tucholksky ein Büchlein widmete, über Wälder wie Fontane sie beschreibt, zu historischen „Denkmälern“, die nicht als solche gekennzeichnet sind, dennoch die Spuren des vergangenen Jahrhunderts deutlich aufzeigen.
Nicht zu vergessen zu erwähnen wäre vor allem auch der Menschenschlag in dieser Gegend. Der ist vor allem unterschiedlich und nicht unter einen Hut zu kriegen. Die einen sind vor langer Zeit gegangen und kommen auf Besuch am Wochenende, andere kehren aus den alten Bundesländern zurück und nehmen
nach alter feudaler Familiengeschichte und Familientradition das bäuerliche Lebens wieder auf (siehe Film „Uckemark“ von Volker Koepp). Es bleiben die Alten, es bleiben zu einem größeren Teil Männer. Mufflig, gelangweilt, traditionell und maulfaul mit eigenem Uckermark – Dialekt. Es bleiben
auch ein verbreiteter Rechtsextremismus und Rassismus.
Trotz dieser Trostlosigkeit finden sich hier und da,in Neuruppin, Schwedt, Angermünde und Rheinsberg engagierte Jugendinitiativen und linke Kulturprojekte. Viele der Jugendlichen bleiben bis zum Abitur und bereichern durch ihr jahrelanges Engagement gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus für eine selbstbestimmte emanzipatorische Jugendkultur die Gemeinden ungemein.
Als eine kleine Reisegruppe zusammen mit dem expertbase - Bus haben wir uns im Juni 2004 für ein Wochenende in Rheinsberg einquatiert und wollen hier darüber
berichten.
Preiswertes Essen ist in Rheinsberg nicht zu finden, alles ist eher auf den bürgerlichen Mittelstand ausgerichtet.
In den Restaurants ist eine eichengetäfelte Innenaussattung vorherrschend. Aber glücklicherweise gibt es im Sommer fast überall Draußensitzplätze.
Auffällig ist, dass scheinbar keine Kneipe im Ort das rheinsberger Kronprinzenpils verkauft; so schlecht ist es ja nun auch nicht. Das kann ja nix werden mit dem Aufschwung Ost..
Tagsüber gibt es genug Eisdielen, der Ratskeller serviert auch um 22.00 noch warmes Essen.
Als Vegetarier sollte man sich zur Sicherheit ein Stullenpaket mitnehmen.
Fleischesser haben bezüglich der Auswahl keine Probleme. Ob „Fontanes Leibgericht“ oder „Wilddiebsteak“ , alle versuchen in einem historisch-touristentauglichen Kontext zu kochen.
Egal, Hauptsache es schmeckt.
Es gibt auch eine Asia-Imbissbude im Ort, nur 3 min vom Zentrum, die ist ganz ok.
Adresse: Beim Jachthafen
Kategorie: Cafe mit Außenterasse
Angebot: warme Snacks, Kuchen, Kaffee und Milchgetränke, Eis, vegetarische Snacks.
Lecker!
Warme Küche bis 21.00
Preise: mittelteuer, gerade noch bezahlbar
Service: freundliche Bedienung
Tucholsky Informationen zur Unterhaltung
Wir haben gut Kaffee mit Baileys getrunken, leckere Kuchen aus dem Tagesangebot.
Inneneinrichtung sehr amerikanisch, aber schöner Blick auf den Hafen, besonders von der Terasse.
(getestet von stine, ruth, knut - Juni 2004)
Wer teuer und bürgerlich essen will, sollte in den Ratskeller zu gehen.
Kategorie: Restaurant mit Galerie
Angebot: Bürgerliches Essen und Getränke, 4 vegetarische Gerichte (Kartoffelpuffer und Co.), Bier und viele Weine
Preise: Bier ab 3,20 €, Fleischgerichte um die 12 €
Wertung: vereinzelt lecker, Bedienung poppig bauchfrei, aber sehr zuvorkommend, Bier gut und frischgezapft
Gesamteindruck: gut, aber zu teuer.
Essen auch noch 22 Uhr bestellbar.
Ort: Eckrestaurant, zentral gelegen gegenüber dem Schloßeingang.
Irgendwie scheint es in Rheinsberg Pflicht zu sein, seine Kneipen innen mit Holz zu vertäfeln. Vielleicht kann man die Gemeindeordnung diesbezüglich noch mal verbessern.
Die erste Mittags-Station der Reiseführer Test-Crew war die Roofenklause.
Idyllisch gelegen im Wald hinter Menz, und auf Empfehlung des KKW- Führers.
Kann Essen das KKW Angestellte empfehlen gut sein? Hmm, na ja. Auf alle Fälle macht´s satt und so teuer war´s auch nicht.
Die Fleischfresser waren mit Hasenbraten und Wild recht zufrieden, bemängelten aber dass die Klöße aus dem Kochbeutel waren. Alle haben den Fisch sehr empfohlen, aber den haben wir nicht probiert.
Immerhin fanden sich vier vegetarische Gerichte auf der Karte, und auch unter den Vorspeisen waren auch ein zwei fleischlose Angebote.
Leider entpuppte sich die Gemüseplatte als aufgetautes Tiefkühlgemüse ohne Eigengeschmack. Aber die panierten Champignons waren lecker.
Preise: Fleischgerichte: zw. 8-12 €
vegetarisch: ab 4,60 €
Getränke: Kaffee/ Mineralwasser ab 1,30€
Für 93,80 sind 8 Leute gut satt geworden.
Besonders schön war ein Kaffeelöffel, wir erkannten ein Teil des klassischen Ost-Kinderbesteckes wieder. Den Suppenlöffel mit der Fliege auf dem Stiel.
Die Innenaustattung des Restaurants war stark durch Innenholztäfelung dominiert, aber bei schönem Wetter kann man draußen sitzen.
Anfahrt: In Menz Richtung Rheinsberg fahren, kurz vorm Ortsausgang nach rechts abfahren, zur Ferienhaussiedlung immer gerade aus zur Roofenklause. Parkplatz vorm Haus.
Mitte Juni 2004,
8.30 KKW Rheinsberg, Eingangstor.
Sechs Enthusiasten standen um 6.00 früh auf, um pünktlich eine Führung durchs KKW Rheinsberg zu beginnen.
Helmut Gruhle, Ingenieur des KKWs seit 1969, führt uns in die Geheimnisse des Druckwasserreaktors ein. Das KKW war eine gemeinsame Projektierung der DDR und der Sowjetunion.
Beginn der Bauzeit: 1957
Eingeweiht: 1966
Stillgelegt: 1990
70% der Technik stammten aus der DDR, 70 Megawatt Leistung,
zu DDR-Zeiten über 600 Beschäftigte, heute noch 200 Leute die mit dem Rückbau des Werkes beschäftigt sind.
Damit der größte Arbeitgeber der Region (ein Abrissunternehmen?!)
Und das noch bis 2011. Dann soll das KKW vollständig zurückgebaut sein.
Zwischenrechnung:
Projektierung und Aufbau: 9 Jahre
Laufzeit: 24 Jahre
Abriss: 17 Jahre
Rheinsberg war ein Lehr- und Versuchskraftwerk, mit „heißer Zelle“, laut Herrn Gruhle ungewöhnlich, aber nicht gefährlich. Hier wurde nie wirtschaftlich produziert. Mehrfach betont er die Sicherheit der DDR-Kraftwerke, ein Tschernobyl wäre niemals möglich gewesen, vor allem auch, weil das Rheinsberger Personal so extrem gut geschult war. Denn mit Kompetenz können Mängel ausgeglichen werden.
Dann stellen wir noch ein paar kompetente Fragen und gehen ins Kraftwerk.
Eine authentische Ost-Eingangshalle heißt uns willkommen. 70er Jahre Kachelstil.
Design Treppe. Dann beginnt der spannende Teil. Wir werden durch eine massive Gittertür gelassen, danach müssen Männer und Frauen getrennt in Umkleidekabinen.
„Sie müssen sich ausziehen“ „Wie?“ „ Na alles aus“ „??“
Wir bekommen formschöne Werksunterwäsche, orange Werkssocken, Overalls und weiße Hand- und Gummischuhe.
Durch eine Einpersonenschleuse geht’s ins wirklich Innere des Kraftwerkes.
Enge Gänge, Kabel und Rohre, hier kann niemand den Überblick haben. Herr Gruhle erläutert begeistert den Aufbau des Kraftwerkes und seine Besonderheiten gegenüber den neueren Modellen. Rheinsberg war das erste Kraftwerk, an allen späteren wurden die hier gewonnen Erkenntnisse umgesetzt. Das in Greifswald mit 4 Blöcken ging in den 70ern ans Netz und in 4 weitere waren im Bau oder in der Projektierung. In Stendal wurde an einem dritten Kraftwerk gebaut.
Das Rheinsberger Kraftwerk ist durchgehend in typischen Ostfarben gehalten, ein undefinierbares Grün und kantinengelb.
Dunkel und staubig. Wir gehen in den Reaktorraum. Da wird festgestellt, dass zwei Leute keine Dosimeter bekommen haben. Ratlosigkeit: „Da hätte der Strahlenschutz doch aufpassen müssen“ „Und nun?“ „Sie bleiben einfach dicht bei den anderen, dann können sie ja die Dosis wie bei den andern ablesen.“
Wir fühlen uns unwohl, aber weiter geht’s. Die Bedienung für die „Katze“ wird erläutert. Wir können von oben in den ehemaligen Reaktor sehen. Die letzten Brennstäbe wurden 2001 abtransportiert. Da waren wir auch dabei.
Herr Gruhle erklärt. Den Reaktor, die Dampftauscher, die Nadelrohre, erster und zweiter Kreislauf.
Beklemmend enge Gänge und dann stehen wir unterm Reaktor und dürfen ihn sogar anfassen. Nächste Woche kommt der Minister, und wir dürfen vorher rein. Der Rückbau wird auch bei oberster Stelle verfolgt. Wir sind versucht “Trittin ist doof“ an die Wand zu schreiben. Aber: wir mussten ja beim Eintritt alles abgeben. Schade.
Irgendwann sind wir aus den Tiefen des Werkes auch wieder oben. Um rauszukommen müssen wir nackt durch eine Kabine. „Näher an die Wand, umdrehen, 10,9,8 ... 3,2,1...nicht kontaminiert.“ Glück gehabt. Bei Kontamination muss man kalt duschen. Denn Unterschied zwischen Kontaminierung und Aktivierung hat Herr Gruhle eingehend erklärt. Die Unterwäsche dürfen wir nicht behalten.
Dann noch einen Rundgang ums Werk. Der Betriebsbahnhof wird nicht mehr gebraucht. Früher fuhren alle Arbeiter aus Rheinsberg mit dem Zug. Heute stehen die Autos von 200 Mitarbeitern auf dem Parkplatz vor dem Werk.
Die Zäune und Mauern wurden fast alle schon abgetragen. Aber man kann noch sehen, wo die Wache Streife lief.
Unser Rundgang ist zu Ende. 3 Stunden sind vorbei. Wir sind froh, dass dieses Monument fortschrittlicher DDR Technik fast verschwunden ist. Na ja, nicht alle von uns.
KKW Rheinsberg
Besichtigungen telefonisch erfrag- und buchbar unter: 033931-570, Herr Gruhle, Öffentlichkeitsarbeit
Offizielle Anschrift:
Energiewerke Nord GmbH
Betriebsteil Kernkraftwerk Rheinsberg
Am Nehmitzsee 1
16831 Rheinsberg
Ein kleiner Ausflug nach Rheinsberg sollte gut vorbereitet sein. Schnell fündig werden geht unter: www.brauerei-rheinsberg.de.
Unkompliziert ist es möglich mit dem Braumeister einen Führung zu vereinbaren und bei deftiger Küche einen kurzen Abriss der Geschichte der "Kleinsten Brauerei Brandenburgs" zu erhalten.
Flexibel und freundlich gehen die wenigen Angestellten im Familienbetrieb auf die Wünsche der Gäste ein.
Während man zwischen den selbstgebrauten Biersorten (Dunkles, Helles Pils und Pils Natur, sowie Malz) und den wenigen, in der Regel fleischhaltigen Gerichten (vegetarisch sind der Salat, Gemüsesuppe und der "Brathering") wählen kann, erklärt der Braumeister Horst Mücke (Zitat:"Keine Sorge, ich steche nicht!") grundsätzliches zur Bierherstellung im Allgemeinen und zur Bedeutung für die Gesundheit und des Wohlergehens nach dem Biergenuss im Besonderen.
Nach diesen einleitenden Worten des Braumeisters wird schnell klar: entweder man findet sexistische Äußerungen gut oder hat ein dickes Fell, denn es wiederholen sich im Vortrag ständig frauendiskriminierende Äußerungen.
Neben dem Senior und dem Junior sowie den Angestellten im Gastronomiebereich, werden noch 3 Auszubildende in unterschiedlichen Berufszweigen beschäftigt.
Noch laufen die Brauerei und das Gastronomiegewerbe, aber wie lange dies so sein wird kann Mücke auch nicht sagen. Nur indirekt läßt er anklingen, dass er es seinem Junior nicht übel nehmen wird, wenn dieser das Gewerbe einmal verlässt. Es gibt auch in dieser kleinen Privatbrauerei Situationen, wo man nicht weiß, womit die Gehälter am Monatsende ausgezahlt werden sollen.
Der Chef plaudert aber gerne ein wenig über die vergangenen Zeiten und erzählt von der eigenen Interpretation des 1972 in einen "VEB" verstaatlichten Betrieb, welches in seinem Verständnis für "Vaters Ehemaliger Betrieb" stand.
Mücke fungierte von da an als Direktor und bildete auch damals aus.
Obwohl er andeutet, dass seine Arbeit zu DDR Zeiten anerkannt war, spart er in seinen Darstellungen der jüngsten Geschichte Details aus.
Aber woher der Name das Rheinsberger Biers "Kronprinzenpils" kommt, wird gern berichtet: nicht nur das der Kronprinz Friedrich II hier für 4 Jahre eine Sommerresidenz besass, sondern insbesondere auch, dass dieser das Handwerk des Braumeisters erlernt haben soll.
Erfahren kann man auch, dass das Rheinsberger Bier nur aus nicht genmanipulierten deutschen Hopfen hergestellt wird. Allerdings verachtet Braumeister Mücke die Effektivität des neuen genmanipulierten amerikanischen Hopfen nicht. Ob die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihn zwingen werden auf Genhopfen umzusteigen, bleibt noch offen.
Wer sich bei einem Urlaub oder einem Besuch in Rheinsberg regional bezogen bewegen will, sollte mal ein Kronprinzpils probieren...
Daten:
1898: Haus erbaut als Molkerei
1905: zur Brauerei umkonzipiert
1907: erstes Bier gebraut
1910: in Familienbesitz, jetzt in 3. Generation
1972: verstaatlicht
1989/90: reprivatisiert
05.05.1995: wiedereröffnet
Ort:
Rhinhöher Weg 1
3 min Fussweg vom Bahnhof
GALERIE ZITRONENGRAU
befindet sich in der Kirchstr. 12 (in Rheinsberg) in einem kleine unauffälligen grauen Häuschen und zwar hinter dem Marktplatz mit der großen gelben Kirche. Die Galerie ist noch jung und um sie herum rankt sich eine alternative Wohnform mit netten kreativen Menschen. Rheinsberg erhält damit ein weiteres Stück Kultur, welches sich nicht der preußischen Rückbesinnung anschließt. Schön!
L´atelier
befindet sich in der Schloßstraße 7, also sozusagen in der Hauptmeile von Rheinsberg, wenn wir die Wasserpromenade nicht dazu zählt. Die Ausstellungsräume sind in dem großen rosa farbenden Haus, welches schon von weitem mit einem riesigen Specht aus Metall gekennzeichnet ist. Der Künstler, Tony Torrilhon, stammt aus Frankreich und hat schon mehrer Jahre in deutschland gelebt. Seine Ausstellung ist sehr lebendig, es gibt Figuren aus Holz die vorsichtig berühert werden können, Abdrücke von Kupferplatten und z. b. auch Muscheln mit Gesichtern.
Es ist möglich einen Blick in die Werkstatt zu werfen, Fragen zu stellen und die Entstehung eines Bildes zu beobachten.
Offen ist dort immer, wenn Tony Torrilhon selbst da ist und regulär am Wochenende.
Um auf die Idee zu kommen von Berlin nach Rheinsberg zu fahren bedarf es eines Hangs zu literarischer Leidenschaft, lokaler Herkunft oder einer besonderen Liebe zur Eisenbahn. Die schnellste Verbindung mit der Bahn dauert 1 h 58 min, andere Varianten durchaus schnell eine Stunde länger. Ich entschied mich also aus zeitlichen Gründen für die Kürzeste. Knapp 2 h dösend, lesend und entspannend durch die liebliche Landschaft Nord-Brandenburgs zu fahren erschien mir als die richtige Lösung. Nach einem Blick auf den Fahrplan in Berlin-Ostbahnhof wurde jedoch schnell klar, dass der Beginn der entspannten Reise wohl erst in Berlin-Lichtenberg sein würde, da bis dort zunächst die S-Bahn zu nehmen war.
Dort angekommen, in Erwartung eines gemütlichen Sitzplatzes in einem mäßig gefüllten Zug, musste ich jedoch schnell feststellen, dass es sich bei dem Zug lediglich um 2 aneinandergekoppelte Triebwagen handelte, die bei der Bahn unter „Regionalbahn“ firmieren. Die zwischenzeitlich eingetretene leichte Anspannung begann sich auch nicht zu lösen, als ich das Abteil betrat, das wider Erwarten voller eigentlich arbeitsloser und schlechtgekleideter Brandenburger Jugendlicher war. Die Frage nach deren Aufgabe und Berechtigung sich just in diesem Moment in meinem Abteil aufzuhalten, wagte ich nicht zu stellen. Nach dem ich neben einer mürrisch-skeptisch dreinblickenden Frau endlich einen Sitzplatz gefunden hatte konnte die Reise nun also endlich beginnen. Nach einer knappen Stunde musste ich nun das erste Mal in Löwenberg (Mark) umsteigen. Einerseits wollte ich nicht schon wieder aufstehen, doch andererseits schien mir die Perspektive in einem anderen Zug einen angenehmeren Platz zu finden doch sehr verlockend. So stieg ich in Löwenberg (Mark), einem Idyll aus verlassenen Gebäuden und von Gräsern überwucherten Bahngleisen aus um nach wenigen Minuten in die Regionalbahn nach Herzberg (Mark) umzusteigen. Nachdem ich 17 Minuten in einem angenehm duftenden nahezu leeren Abteil Wiesen und Felder genießen konnte stand der nächste Wechsel des Verkehrsmittels an. In Herzberg ging es nun in einen Regionalexpress in Richtung Rheinsberg. Dieser bestand im Übrigen aus den gleichen 2 Triebwagen wie die Regionalbahn.
Nach exakt 1h 58 min bin ich nun doch fahrplangerecht in Rheinsberg angekommen. Das kollektive Erlebnis mit so vielen Nord-Brandenburgern in einem engen Zug zu sitzen, gemeinsam umzusteigen, schnell eine Zigarette vor der nächsten Abfahrt zu rauchen und schließlich fast allein auf der letzten Etappe nach Rheinsberg zu fahren hat mir Nord-Brandenburg emotional ein Stück näher gebracht. Nach dem 3. Umsteigen erfährt man was es heisst genügsam und anspruchslos zu werden. Man harrt der Dinge die da kommen mögen. So ist es nicht nur eine Fahrt zwischen zwei Punkten sondern nahezu ein sinnliches Erlebnis, ein schönes Stück Lebenserfahrung.
pho June 2004
Anschrift:
Uferweg 10.
Rheinsberg 16831.
In Rheinsberg fehlt es an günstigen Übernachtungsmöglichkeiten. Menschen mit wenig Geld bleibt nur die Suche nach einer preiswerteren Privatpension. Wir fanden die Pension von Waltraut Adam und ihrem Mann.
Auch dieser Ort versetzt uns in die schönen 70er der DDR. Frau Adam hat einen Hang zu Spitzendeckchen. Auf einem der vielen herumstehenden Tischchen zählen wir drei übereinander.
Frau Adam und ihr Mann sind recht ordentliche Leute: „Mit den Schuhen kann ich sie aber nicht hoch lassen. Ihre Schuhchen können sie hier stehen lassen“.
Überraschende Aufbettung: „Ich hab mal heut früh die Schuhe gezählt, wie können denn 6 Leute 8 Paar Schuhe haben?“.
Kleine Empörung nach einem verlegten Internetkabel aus dem Satellitenbus: „Da fragt man doch vorher, haben sie meine Leiter benutzt? Wie sieht denn das aus, so ein Kabel an der Hauswand!“
Sie hat recht klare Vorstellungen von ihren Gästen: „Aber Abends die Tür leise zumachen. Mein Mann ist herzkrank und ich reg mich auch auf.“
Sonst stehen zur Dekoration überall Schälchen ohne Inhalt und Kunstblumen in Väschen herum.
Die Zimmer sind ausreichend mit Betten versehen und aufgrund der vielen Kissen, Deckchen, Teppichböden und Läuferchen nichts für Hausstaub- und Milbenallergiker. Ausstattung: TV in jedem Raum, herrlicher Wintergarten mit kleiner Küche und Blick auf einen Garten, der ahnen läßt, dass jedes Jahr ein neues kleines Gestaltungs- oder Bauprojekt umgesetzt wird.
Aber es gibt auch Kirschen aus dem eigenen Garten zum Naschen, ein Bügeleisen, um vor der Oper schnell ein Hemd zu bügeln, Fußballergebnisse vom Vorabend und am Frühstückstisch einen guten Einblick in den Rheinsberger Dorfklatsch.
Preise (Juni 2004):
6 Personen 2 Übernachtungen mit Frühstück 230 €
= 18 € mit Frühstück
= 15 € ohne Frühstück
...jetzt zum angenehmen Teil des Schlosses. Der preussischen Retrospektive überdrüssig, lohnt sich der Eingang im linken Flügel des Schlosses.
Im Erdgeschoss befindet sich die Dauerausstellung "Literaturmuseum Kurt Tucholsky". Ein kleiner Rundgang führt in zwei Räumen durch Tucholskys Leben und gibt Einblick in sein literarisches Schaffen. Erfreulicherweise liegt der Schwerpunkt der Ausstellung nicht auf seinem Roman "Rheinsberg- ein Lesebuch für Verliebte" (obwohl auch dieser auch sehr, sehr schön ist).
Die Besucher erwartet eine klar strukturierte Ausstellung, die auf biografische, gesellschaftspolitische und literarische Aspekte eingeht. Auch aktuelle Bezüge, wie zum politisch bekämpften Ausspruch "Soldaten sind Mörder" werden hergestellt. Neben Briefwechseln, privaten Fotos und anderen Zeitdokumenten, finden sich Kommentare und Erklärungen. Unnötigerweise findet auch Tucholskys Schreibtisch und der dazugehörige Stuhl einen zentralen Platz in der musealen Objektsammlung.
Im Gegensatz zum Schlosspersonal, wird man in der Tucholsky-Ausstellung herzlich empfangen und zuvorkommend behandelt.
An die Austellung schliesst sich eine wechselnde Kunstaustellung an.
Nützliches:
Normal-Eintritt: 2,- €
ermässigt: 1,- €
Opening hours:
Tuesday – Sunday
9.30 a.m. - 12.30 p.m.
and 1 p-m- - 5 p.m.,
Mondays closed
Phone +49 -33931 – 39007
Fax - 39103
mail@tucholsky-museum.de
besucht von stine und knut, Juni 2004
Um einen ersten Eindruck von Rheinsberg (5000 Einwohner) zu bekommen, bietet sich ein kleiner Stadtspaziergang an. Angekommen am Bahnhof stellt man zunächst fest, dass sich dieser nicht unmittelbar im Zentrum sondern etwas außerhalb befindet. [image:223]
Wenn man nun nach links abbiegt und auf der linken Seite einen Supermarkt passiert, gibt es zunchst die Möglichkeit wiederum nach links abzubiegen und nach wenigen Metern, in der angeblich kleinsten Brauerei Brandenburgs, als erste Einstimmung ein hausgebräutes Kronprinzenpils zu genießen. Wir gehen jedoch weiter geradeaus... und bemerken, obwohl sehr unscheinbar, man könnte fast meinen versteckt, auf der rechten Seite eine Gedenktafel die auf den am Ende des zweiten Weltkrieges von den Nazis erzwungenen Todesmarsch vieler tausend andersdenkender und jüdischer Häftlinge in das Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin, hinweist. Die Tafel markiert eine Stelle des Weges wo die Häftlinge auf ihrem Marsch zur Vernichtung durchgeschleust wurden. Unterwegs kamen dabei sehr viele von ihnen ums Leben.[image:224]
Wenn man nun der Straße weiter folgt und eine kleine Ladenzeile, wobei man in einem kleinen Lotto-Laden Zeitungen kaufen oder sich, wie viele der Einheimischen, dem Glücksspiel hingeben kann, passiert, liegt linker Hand eine kleine Eisdiele und ein Geldautomat.
Nach weiteren 100 Metern kommt man an eine Kreuzung an der man nach links oder rechts abbiegen kann. Wir entscheiden uns hier nach links zu gehen.
Nach wenigen Metern passiert man das Büro der Stadtjugendpflegerin und die Kurt-Tucholsky-Buchhandlung. Hierbei ist anzumerken, dass der Name Tucholskys in Rheinsberg für alles herhalten muss, was auch nur im entferntesten mit Literatur und dem damit scheinbar einhergehenden Lebensgefühl verbunden wird, entspricht.
Nach wenigen Metern findet man rechter Hand einen größeren mit Bänken umsäumten Platz, der einerseits als Marktplatz und andererseits als unansehnliche leere Fläche genutzt wird. Hier steht auch ein zweifelhaftes Denkmal, dass an die Gefallenen des ersten Weltkrieges erinnert. Umrahmt wird der Platz von einem Keramikmuseum und einer Kirche.
Im Sommer befriedigt zudem ein mobiler Crepe- und Eisstand den kleinen Hunger. Gegenüber, auf der anderen Strassenseite, sieht man einen Obelisken der an die Gestaltung der ihn umgebenden ebenso unansehnlichen Grünfläche und an den Wiederaufbau der Innenstadt, nach mehreren großen Bränden Ende des 18. Jahrhundert, erinnert. Die scheinbare historische Bedeutung Rheinsbergs wird hier zudem durch eine Tafel dokumentiert, die die Entfernung (in deutschen meilen) zu einigen europäischen Städten dokumentiert. Wirft man den Blick nun geradeaus, kann man eine Statue des Abbildes von Kronprinz Friedrich erkennen. Blickt man jedoch auf den Boden, so kann man eine im Straßenplaster eingelassene Steinplatte mit einem Hinweis auf die Bürgerinitiative für eine Freie Heide sehen, die sich gegen die Wiederbenutzung eines in der Nähe von Rheinsberg liegenden Bombenabwurfplatzes durch die Bundeswehr einsetzt und damit bisher schon etliche Erfolge erzielen konnte (link).
Auch findet man hier den Ratskeller, eine gastronomische Einrichtung der höheren Preisklasse.
Lässt man den Blick schweifen, so sieht man auf der linken Seite das, für die touristische Vermarktung bedeutendste Gebäude, Schloss Rheinsberg. In einem Seitenflügel befindet hierin sich das empfehlenswerte Kurt-Tucholsky-Museum in dem neben dessen literarischem Werdegang auch die jeweilige zeithistorische Verortung dokumentiert wird. Allerdings ist dies leider nur auf Nachfrage oder für Ortskundige gleich im ersten Anlauf zu finden. Daneben liegt das umfangreich sanierte Schlosstheater, indem neben Theaterstücken, Konzerten auch Kammeropern aufgeführt werden.
Vor dem Eingang in den Schlossgarten, der zum Verweilen einlädt, befindet sich ein einzelner Baum mit einer besonderen Geschichte. Im Wege der städtebaulichen Umgestaltung der innerstädtischen Grünflächen nach altem preussischen Vorbild wurden viele Bäume, die nicht in das neue Konzept passten, gefällt. Dieser eine Baum wurde jedoch aufgrund einer Bürgerinitiative, die die überflüssige Fällung und fehlgehende Zwangsanpassung der Grünflächen kritisierte, gerettet. [image:225]
Rechterhand findet man in einem direkt am Schlosstheater angeschlossenen Gebäude die Touristeninformation. Hier gibt es hauptsächlich regionale Werbematerialien, Konzertkarten, selbstgebranntes Geschirr mit dem Schriftzug von Rheinsberg und einige wenige Bildbände. Gefehlt hat Literatur und weitergehende Informationen über die politisch-historische Entwicklung Rheinsbergs. Die reine Fixierung auf die preussische Vergangenheit konnte auch durch die wenig freundlichen und uninformierten Mitarbeiterinnen nicht mehr wett gemacht werden. Im gleichen Gebäude ist die bekannte Musikakademie untergebracht.
Biegt man nun am Ratskeller nach rechts ab, passiert man eine von Straßen umgebene Grünfläche deren Anpassung an das neue preussische Stadtbild noch nicht vollendet wurde und noch einen gewissen DDR-Schick mit etlichen Blumenrabatten besitzt. Übrigens befinden wir uns nun auf der Deutschen Alleenstraße, welche Bedeutung dies auch immer für uns haben mag. Wenn man die Königsstraße weiter geradeaus geht und an der nächsten Abzweigung nach rechts abbiegt, passiert man auf dem Weg zu dem in Sichtweite liegenden Grienieriksee, die Stadtverwaltung. Auffallend sind hier die guten Fahrrad- und Motoradstellplätze. Diese stehen jedoch im Widerspruch zur sonstigen Erschließung des Radwegenetzes in Rheinsberg, dass praktisch nicht vorhanden ist. Auch ist positiv zu bemerken, dass man an sehr vielen Geschäften einen Aufkleber der Kampagne Aktion Noteingang sehen kann, der Schutz bei faschistisch und rassistisch motivierten Angriffen verspricht.
Am Ufer angekommen befindet sich auf der linken Seite eine Ausflugsgaststätte mit dem Namen Cafe Pavillion am See, die bei Preisen der mittleren bis oberen Kategorie jedoch gutes Essen serviert und in der wir bei unserem Stadtspaziergang eine erste Pause eingelegt haben. (link). Eine weitere Lokalität, dass Cafe Tucholsky findet man nach wenigen Metern wenn man der Uferstraße nach rechts folgt. (link) Geht man nun die Abzweigung zum See zurück und folgt der oberhalb der Grünfläche gelegenen Straße so kann man an den Häuserzeilen teilweise die alte charmante Bausubstanz aus DDR-Zeiten entdecken. Nach dem wir die Kreuzung Königsstraße Ecke Tucholskystraße hinter uns gelassen haben, kreuzt der Radwanderweg Zechlinerhütte. Neben einer möglichen Nutzung etlicher Radwanderwege, die nach Rheinsberg führen, eignet sich der Landstrich auch sehr gut für Boot- und Kanutouren, da es ein weitverzweigtes Wasserwegenetz und in nicht allzuweiter Entfernung die Mecklenburger Seenplatte gibt.
Folgt man weiter der Königsstraße, die nun zur Dr. Martin - Henning - Straße wird, und passiert linker Hand das Hotel am See und den Ruderverein Rheinsberg, so sieht man ebenfalls auf der linken Seite ein Denkmal mit Grabsteinen für die Gefallenen der Sowjetischen Roten Armee bei der Befreiung vom Hitler-Faschismus. Dahinter steht das Haus der Begegnung, dass unter anderem einen Mädchentreff beherbergt. Wir gehen nun die daran vorbeifhrende Schillerstraße weiter gerade aus. Auf einem Pflasterweg, gesäumt von alten Bäumen, vorbei an Kindereinrichtungen, der Wasserschutzpolizei, der Nationalparkverwaltung und der Revierförsterei gelangt man dann auf einen parallel zum Ufer gelegenen Weg der durch ein kleines Wäldchen führt. Nachdem wir den Wassersportclub Rheinsberg hinter uns gelassen haben, biegen wir ein auf die direkt am See gelegene Reuterpromenade, die weiter zum örtlichen, touristisch bedeutsamen, Yachtclub führt. Da man an dieser Stelle, besonders in den Abendstunden, verliebte Pärchen beobachten kann, entschließen auch wir uns für ein kleines Mittagsschläfchen.
Unser erster Eindruck von Rheinsberg, bei gutem Wetter, war einerseits positiv, andererseits konnte dies den Eindruck einer doch recht provinziellen Gemeinde nicht verdecken. Dem Gefühl, sich in einem preussischen Puppenhaus zu bewegen, konnte man sich nur schwer erwehren. Der unbedingte Wille auf Teufel komm raus die glorifizierte preussische Geschichte im Jahre 2004 wieder aufleben zu lassen, verhindert einen objektiven Blick auf historisch wichtige Brüche. Das Verschwindenlassen-wollen der DDR-Vergangenheit verstärkt den Eindruck sich in einem künstlichen und nicht gewachsenen Gebilde zu bewegen. Auch fällt auf, dass Gedenkstellen wie die zum Todesmarsch oder die sowjetische Gedenkstätte im öffentlichen Raum nicht erwähnt werden. Es beschleicht einen das Gefühl, dass sich Rheinsberg, angesichts der monumentalen Wiederherstellung preussischer Geschichte, dessen schmät. Die Fixierung auf den Tourismus geht mit einer Verleugnung und dem Versuch der Negierung eigener Geschichte einher. So bleibt ein schaler Nachgeschmack in der Rentnerhochburg Rheinsberg, die kaum Gestaltungs- und Freizeitmöglichkeiten für jüngere Menschen hat, bestehen.
pho / Juni 2004